Diskussion

Haus der Demokratie und Menschenrechte
Veranstaltungsreihe zum Jahr der Menschenrechte
Informationsdienst: für kritische Medienpraxis

Wem gehört die Information?
Das Menschenrecht auf Informationsfreiheit – u.a. garantiert in Artikel 21 der UN Charta der Menschenrechte aus dem Jahre 1949 – ist, umfassend gedeutet, vielschichtig, betrifft unterschiedliche Rechtsansprüche, ist leicht als Anspruch erklärt, aber schwierig universell durchzusetzen, weil Verbreitung und Zugänglichkeit von Information, Kommunikation und Wissen nicht nur abhängig sind von der Verfügungsgewalt über die notwendigen geeigneten Kommunikationsmittel, sondern ebenso vom Wissen darüber, dass es etwas zu wissen gibt, und damit verbunden der Eigeninitiative der Menschen, ihr verbrieftes Recht einzufordern.

Das fängt mit der Schulbildung an – und damit, dass es z.B. immer noch Staaten gibt, in denen Mädchen von ihren Eltern der Schule ferngehalten werden, oder aus Armutsgründen Kinder arbeiten müssen, statt Lesen und Schreiben zu lernen.

In der privilegierten ersten Welt, sollte man meinen, sei dies nicht das Thema… Laut UNESCO gibt es –

Analphabetismus in Deutschland?
Der Anteil von Analphabeten an der Weltbevölkerung macht etwas mehr als 13 % der Gesamtbevölkerung aus. Davon lebt der größte Anteil in Asien, Afrika und Lateinamerika. Dazu kommt in den Industrieländern eine statistisch nur unzureichend erfasste Zahl funktionaler Analphabeten, das sind in Deutschland geschätzte 4 Millionen Erwachsene – was über 6 % der Bevölkerung entspricht. Auf der Website „Schwarz auf Weiß” findet sich dazu Folgendes:

„Eine erschreckend hohe Zahl von Mitmenschen, die große Probleme mit den steigenden schriftsprachlichen Anforderungen unserer Zeit hat, bei der Bewältigung ihres Alltags, in sozialen Beziehungen, bei der Arbeitsplatzsuche. Analphabetismus ist also nicht nur ein Problem der „Dritten Welt”. Im Vergleich zur „Dritten Welt” hat der Analphabetismus in Deutschland jedoch einen anderen Hintergrund: Dort ist der fehlende Schulbesuch die Hauptursache – bei uns in Deutschland tritt Analphabetismus nach neun Jahren Schulbesuch auf – weshalb von funktionalem Analphabetismus gesprochen wird. Beunruhigend ist die Vermutung des Bundesverbandes Alphabetisierung e.V., dass die angenommene Größe von 4 Millionen Analphabeten in Deutschland das Problem eher verharmlost als überschätzt.”
Dies nur ein kleiner Verweis auf auch eine Ursache, weswegen Menschen ihr Recht auf Informationsfreiheit nur beschränkt wahrnehmen können.

Laut Amnesty International’s Report 2008 unterdrückten 77 Länder die Freiheit der Meinungsäußerung und der Pressefreiheit. – Wenn wir also von Einschränkungen der Informationsfreiheit sprechen, müssen wir das heute leider immer noch und wieder im Zusammenhang mit Journalismus tun: Behinderung der Arbeit, Bedrohung oder sogar Ermordung sind in zu vielen Ländern an der Tagesordnung. Sei es in einigen islamischen Staaten, in China oder Rußland, und in allen Diktaturen – überall dort, wo der Staat gleichschalten will und dem frei(zügig)en Geist mißtraut, beschneidet er die Rechte seiner Bürger und versucht, nur die Informationen verbreiten zu lassen, die ins Weltbild passen. Dort ist das gewohnte Methode.

In den USA , in Europa, in allen Demokratien, greift der Staat in Einzelfällen aus Gründen der äußeren oder inneren Sicherheit zu Zensur oder stellt bei unbequemen Themen Unbequemlichkeiten in den Weg. Information im Journalismus muß immer ganz schnell gehen, und ehe ich beim Recherchieren fünf Anläufe übers Eck nehmen muß, um etwas zu erfahren, verschiebe ich die Sache, oder lasse sie gleich fallen. An Ausweichthemen mangelt es ja nicht. Seriösen JournalistInnen ist wohl zu Gute halten, wenn sie lieber nicht als unzureichend recherchiert berichten. Themen werden also oft ausgelassen, weil keine Zeit ist (oder zu wenig MitarbeiterInnen zur Verfügung stehen) und nicht, weil sie heiße Eisen sind. Da könnte man meinen, dies sei eine gute Marktlücke, die alternative JournalistInnen ausfüllen könnten! Hin und wieder funktioniert das auch. Prominent etablierter Außenseiter Günther Wallraff schreibt nicht nur Bücher, sondern kommt mit seinem Undercover-Enthüllungs-Journalismus auch ins Fernsehen.

In der sogenannten westlichen (oder erweitern wir es auf die kapitalistische) Welt leiden wir eher unter Überinformation: jeder kann „alles” erfahren – das Problem ist, das „Wissen” einzuordnen, das Wichtige herauszufiltern. Und dann: Was ist jetzt und hier wofür für wen die wichtige Information – die aufklärt, hilft, sich zurecht zu finden, vielleicht ermöglicht, sich zu wehren, usw. …

Das Recht „… auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.” – was nützt es mir, wenn ich die Quelle der Information nicht einschätzen kann, oder vielleicht gar nicht mehr zurückverfolgen… Wenn mir jeder jede Lüge xmal vervielfältigt verWEBT als Wahrheit um die Ohren hauen kann?! Das WWW macht es möglich, weltweit ziemlich unzensiert überinformiert zu sein – zumindest für die Menschen, die sich einen Zugang zum Netz finanziell leisten können, die Lesen und eventuell Englisch (als internationale Übersetzungssprache) verstehen können, und denen ihr Staat nicht die Antenne kappt oder die Verbreiter der Nachricht in Landessprache (die im Lande arbeitenden Journalisten) umbringt. Menschen in den armen Staaten haben vielleicht sogar gelernt, mit den neuen Medien umzugehen, aber sie stehen ihnen nicht ausreichend zur Verfügung.

Provokante These:
Wir haben nicht zu wenig, sondern zu viel Information(en)!
Provokante Tatsache:
„Überall” auf der Welt werden Reporter bei ihrer Arbeit behindert, um zu verhindern, dass (bestimmte) Informationen die allgemeine Öffentlichkeit erreichen.

Je nach den politischen Rahmenbedingungen der herrschenden Staatsform reichen die Mittel zur Manipulation oder Verhinderung von Informationsverbreitung von Einmischung und Machtausübung durch Interessenvertreter, zu staatlich legitimierter Zensur bis zu kriminellen Akten wie Bestechung, Erpressung oder gar Mord.

Aktuelles Beispiel vom 31. August 08 betreffend Rußland, Kaukasusregion: Der Förderverein für Osteuropäische Kultur veröffentlichte aufgrund einer Meldung der Russischen Agentur Interfax den Fall von Magomed Evloev, Gründer und Besitzer der oppositionellen Website INGUSHETIA und Kritiker der Politik des durch Wladimir Putin eingesetzten FSB-Generals Murat Sjasikov als „Präsident der Republik Inguschetien”. „Evloev starb Sonntag an einer Schusswunde im Kopf. Er befand sich in Polizei-Gewahrsam, berichtet Interfax und zitiert Staatsanwälte. Evloevs Website Ingushetiya.ru war eine wichtige freie Informationsquelle in der Nordkaukasischen Region. Evloev wurde in einem Polizei-Auto auf der Fahrt vom Flughafen in Magas nach Nasran erschossen. Der Sprecher der inguschetischen Staatsanwaltschaft Vladimir Markin sagte: „Nach einem Vorfall” – Evloev soll sich im Auto gewehrt haben – „schoss ihm ein Polizist seitlich in den Kopf.”
(Quelle bzw. Kontakt: Förderverein für Osteuropäische Kultur, peterkrug(a)mail.ru)

Recht ja, aber keine Berechtigung
Ein Beispiel für die Umsetzung des Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. In diesem Fall aus dem Jahr 2006 geht es um die Informationspflicht von Behörden bzw. den Zugang zu solchen. „Tatort” Tschechische Republik.

In einem Urteil vom 10. Juli 2006 „hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zum ersten Mal Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention in einem Fall angewendet, in dem ein Antrag auf Zugang zu Verwaltungsdokumenten von den Behörden abgelehnt worden war. In dem Fall geht es darum, dass einer nichtstaatlichen Umweltschutzorganisation der Zugang zu Dokumenten und Plänen über ein Kernkraftwerk in Temelin in der Tschechischen Republik verweigert worden war. Das Gericht ist zwar der Auffassung, dass kein Verstoß gegen Artikel 10 vorliegt, erkennt aber ausdrücklich an, dass die Weigerung der tschechischen Behörden als Eingriff in das in Artikel 10 der Konvention verankerte Recht auf Empfang von Informationen anzusehen ist. Folglich müsse die Weigerung die in Artikel 10 Absatz 2 festgelegten Voraussetzungen erfüllen.

Im Fall Sdruzeni Jihoceské Matky gegen die Tschechische Republik wiederholt das Gericht seine ständige Rechtsprechung, wenn es betont, dass das Recht auf den Erhalt von Informationen „im Wesentlichen darauf abzielt, dem Staat zu verbieten, jemanden am Empfang von Informationen zu hindern, die andere ihm geben wollen oder bereit wären zu geben”. Zudem ist das Gericht der Auffassung, dass es schwierig sei, aus Artikel 10 ein allgemeines Recht auf Zugang zu behördlichen Dokumenten abzuleiten. Das Gericht erkennt jedoch an, dass die Verweigerung des Zugangs zu Verwaltungsdokumenten, hier über ein Kernkraftwerk, als Eingriff in das Recht des Klägers auf Empfang von Informationen anzusehen ist. Da die tschechischen Behörden die Verweigerung des Zugangs zu besagten Dokumenten nachvollziehbar und ausreichend begründen konnten, ist das Gericht der Auffassung, dass in diesem Fall kein Verstoß gegen Artikel 10 der Konvention vorgelegen hat. Die Weigerung war zum Schutze der Rechte Dritter (Betriebsgeheimnisse), der nationalen Sicherheit (Gefahr terroristischer Angriffe) und der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt. Das Gericht hat auch betont, dass der Antrag auf Zugang zu überwiegend technischen Informationen über das Kernkraftwerk keine Angelegenheit von öffentlichem Interesse darstellte. Aus diesen Gründen sei es offensichtlich, dass kein Verstoß gegen Artikel 10 der Konvention vorlag. Folglich wurde die Klage vom Gericht für unzulässig erklärt.”

So wird dem Gesetz und der Rechtsauffassung gefolgt und dennoch finden sich Wege, das Recht des Bürgers zu unterlaufen.

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